Biografie Marek Tomaszewski

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MAREK TOMASZEWSKI, geboren am 20.11.1943 in Krakau/Polen

Marek Tomaszewski beginnt sein Studium 1961 am Staatlichen Konservatorium in Warschau in der Klasse von Professor Drzewiecki, dem Begründer des »Chopin-Wettbewerbs«. Dort lernt er auch seinen zukünftigen Duopartner Vacek Kisielewski kennen.

Als Marek und Vacek, beide undisziplinierte Schüler, anfangen, zum Vergnügen gemeinsam auf zwei Klavieren zu musizieren, ahnen sie noch nicht, wohin dieser Zeitvertreib sie führen wird. Mit ihrem jugendlichen Ungestüm, ihren originellen Einfällen und Interpretationen erobern sie ihr Publikum im Sturm. Sie sind die Ersten in Europa, die das Prinzip der Paraphrase in Bearbeitungen anwenden, die Elemente des Jazz und anderer moderner Musikformen einbeziehen. Eine Radiosendung, die ihre Musik über ein Jahr lang jeden Sonntag ausstrahlt, macht sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Als nunmehr versierte Musiker zeichnen sie sich nicht nur durch ihre Virtuosität, sondern auch durch die Individualität ihres Spiels aus. 

 

1965 ist ein denkwürdiges Jahr: Das ihrer ersten Tournee durch Polen. Rasch reiht sich ein Erfolg an den anderen. 1966 spielen sie im ersten Abschnitt der Tournee von Marlene Dietrich; dies ist zugleich das Jahr einer eigenen Tournee durch die USA, wo sie unter anderem in der Carnegie Hall auftreten. Dann geht es weiter nach Kanada und Frankreich. Nach dem glänzenden Erfolg, den sie im Olympia in Paris feiern können, lädt Bruno Coquatrix sie zur Teilnahme an Jacques Brels Abschiedskonzert ein. Es folgen zahlreiche Konzerte und Sendungen im deutschen Fernsehen.

Marek und Vacek Video

1967 erhält »TANDEM«, ein ihnen gewidmeter Film mittlerer Länge, beim Montreux-Festival in der Schweiz den Pressepreis. Beim internationalen Festival der Unterhaltungsmusik in Rennes gewinnen sie das Goldene Hermelin. Die Plattenfirma Barclay nimmt ihre erste LP auf, die 1968 bei einem in Cannes im Rahmen der Musikmesse MIDEM gegebenen Konzert vorgestellt wird. Dann gehen sie auf große Tournee. Mehrere Schallplatten werden von Plattenfirmen wie Polydor, EMI, Intercord etc. herausgegeben.

Bei ihren öffentlichen Konzerten und auf ihren internationalen Tourneen unterstützten sie die politischen und sozialen Anliegen der Gewerkschaft Solidarnosc, trugen zum Zeichen ihrer Verbundenheit demonstrativ privat als auch öffentlich bei Presseterminen, Radio- und Fernsehauftritten sowie auf der Bühne das Solidarnosc-Zeichen. Kein öffentlicher Auftritt verging, ohne dass die beiden Klavierkünstler auf die Situation in ihrem Lande hinwiesen. Sie blieben standhaft, als das Ministerium für Kultur sie während einer DDR-Tournee im Jahre vergeblich versuchte, am Tragen des Solidarnosc-Abzeichens auf der Bühne zu hindern. Mitten in ihrer Konzert-Tournee, am 5. Oktober 1981, am Ende eines umjubelten Konzerts in der Stadthalle von Karl-Marx-Stadt , dem heutigen Chemnitz, wurden sie bereits hinter der Bühne von Mitgliedern der Stasi empfangen und gezwungen, unverzüglich das Land zu verlassen , um noch in derselben Nacht samt Ensemble am Grenzübergang Helmstedt in die Bundesrepublik abgeschoben zu werden (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14338886.html).

Wie wir erst Ende Februar 2010 durch den Hinweis einer Fernsehjournalistin erfahren haben, geht aus einer internen SED-Hausmitteilung der ehemaligen Leiterin der Abteilung KULTUR beim ZK Zentralkomittee der SED hervor, dass Erich Honecker, der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR und Generalsekretär des Zentralkomitees der SED persönlich die Ausweisung der beiden polnischen Konzertpianisten und ihrer Musiker veranlasst hat.  Hier ist der Beleg dafür, Honecker erwidert die Mitteilung seiner Kulturfunktionärin mit dem handschriftlichen Vermerk: "Mit Deinem Vorschlag einverstanden. EH 10.10.1981".
Diese Mitteilung findet sich auf der Homepage des Bundesarchivs unter der Rubrik "Kultur und Künstler in der DDR  -  Auftrag, Auseinandersetzung und Veränderung" (Quelle: SAPMO-BArch, DY 30/ 18818).
Über diesen Link gelangen Sie zu dem historischen Dokument. Dokument Seite 1, Dokument Seite 2.

Wenige Jahre später, 1986, setzt Vacek Kisielewskis tragischer Tod den Jahren des Erfolgs und einer außergewöhnlichen internationalen Karriere ein jähes Ende. Nach diesem großen Verlust musiziert Marek Tomaszewski für kurze Zeit in einem neuen Duo weiter, doch die Lücke, die Vacek hinterließ, war nicht auszufüllen. Marek verspürt immer mehr ein Bedürfnis nach einer kreativen Schaffenspause. Der Wunsch, seine Erfahrungen als Künstler und Musiker weiterzugeben, bewegt ihn, seine Beziehung zum Publikum durch einen direkten und engagierten Austausch mit jungen Schülern zu ersetzen. Eine fast fünfzehnjährige Lehrtätigkeit schließt sich an. Natürlich spielt er immer noch, doch jetzt allein und für sich selbst. Dabei erweist sich, dass er über ein vollständiges Solo-Repertoire verfügt.

Es sind die Werke, die er am meisten liebt und auf seine ganz eigene Art spielt. Und sogar eine gewisse Anzahl von Eigenkompositionen, wie die von seinen Söhnen inspirierte Trilogie Fraternelle.Bei den früheren Arrangements für Duo erschien Marek Tomaszewski ein Klavier nicht ausreichend. Heute, da er sein Potenzial voll ausschöpft, braucht er kein zweites mehr.

Er nimmt Kontakt zu einem langjährigen Freund in Köln auf: Walther Kahl, den ehemaligen Marek & Vacek-Manager. Gemeinsam beschließen sie, eine Solo-Karriere für Marek Tomaszewski zu starten.

 

Es folgt das erste Solo-Album "Premiere - Paraphrasen, Transkriptionen und Improvisationen". Im Gegensatz zur getreuen Interpretation klassischer Originale, behandelt Tomaszewski Kompositionen großer Meister durch harmonische Abwandlungen und durch die Bereicherung seiner Virtuosität in freier Weise, ohne dass dies der ursprünglichen Qualität des Werks Abbruch täte.

Indem er das Klassische in moderner und das Moderne in klassischer Manier spielt und sich dabei Analogien und Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen Komponisten zunutze macht, belebt er eine bei den Pianisten des 19. Jahrhunderts sehr gebräuchliche Tradition wieder, die eine gewisse Leichtigkeit mit sich bringt und die Tabugrenzen zwischen den Musikstilen durchbricht.

Im Herbst 2009 erscheint Solo-Album Nr. 2 "Rapsodia", von dem der international renommierte polnische Musikwissenschaftler, Journalist und Musikkritiker Andrzej Chlopecki begeistert schreibt: "...er bietet eine intellektuelle Reflexion an, die auf einer Re-Interpretation des klassischen Repertoirs beruht... stilistische Intrigen von Tomsaszewski führen uns an der Nase herum, und leiten gleichzeitig unsere Phantasie durch Multitracks der Assoziationen, die ...in der Kultur anerkannt werden." Die komplette Betrachtung des CD-Albums "Rapsodia" findet sich an anderer Stelle dieser Homepage.

2009 war das wohl entscheidende Jahr in der noch jungen Solo-Karriere von MAREK TOMASZEWSKI. In diesem Jahr schließt er nach über drei Jahren Vorbereitung sein bisher wichtigstes musikalisches Projekt ab: Strawinsky's  „Le Sacre du Printemps", eines, wenn nicht gar das für klassische Künstler und Musiker am schwersten zu interpretierende Werk. Andrzej Chlopecki, der in 2012 verstorbene  polnische Musikwissenschaftler, Kritiker und Journalist, schrieb dazu: "Mit der Demut, die dem Meisterwerk zusteht, spielt er nach eigenen, sehr detailliert aufgeschriebenen Noten (manchmal sogar mit der Applikatur), die die Partitur von Strawinsky gewissermaßen überschreiben. Unter den zehn Fingern von Marek Tomaszewski hören wir die Gesamtheit dieser Partitur." Im Oktober 2009 stellte Marek Tomaszewski in einer Art Vor-Premiere das Werk in der Baltischen Philharmonie von Danzig vor. Seine Interpretation riss die Zuhörer zu Beifallsstürmen und Standing Ovations hin.

Kinogänger sehen und hören Marek Tomaszewski in dem großartigen Film "Coco Chanel & Igor Strawinsky" (inzwischen auch auf DVD erschienen), mit Mads Mikkelsen und Anna Mouglalis in den Hauptrollen. Marek Tomaszewski verleiht Igor Strawinsky alias Mads Mikkelsen sein virtuoses Fingerspiel. Tomaszewski ist auch am Filmsoundtrack beteiligt. Der Film unter der Regie von Jan Kounen wurde als Abschlussfilm des Cannes Filmfestivals 2009 gefeiert. 

Trailer Coco Chanel & Igor Strawinsky

 

Auf seinen Konzerttourneen durch Europa in 2013/2014 hat Marek Tomaszewski natürlich Strawinsky's außergewöhnliches Werk "Le Sacre du Printemps" und Carl Orff's "Carmina Burana" im Programm. Bei seinen Klavierabenden spielt er in der für Marek Tomaszewski typischen Interpretation insbesondere Werke des größten polnischen Pianisten und Komponisten, Fréderic Chopin sowie Werke von Johann Sebastian Bach, Antonio Vivaldi, Johannes Brahms, Ludwig van Beethoven, Franz Liszt und und und...


 

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