Rapsodia

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Rapsodia (2. Solo Album)

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1. Dido's Lament
2. Barricades Mystérieuses
3. Rapsodia
4. Asturias
5. Adagietto
6. Machiavellic Team
7. Etude Op. 2 n. 1
8. Paganini
9. America
10. Somewhere
11. Mambo
12. American Salute
13. Summertime

Zukunftsweisende Interpretationen musikalischer Phantasien

Marek Tomaszewski jongliert mit existierenden Musikthemen, dass eine neue Qualität entsteht

Es ist allgemein bekannt, dass die Entwürfe der Klavierstücke von Frederyk Chopin oder Franz Liszt meistens aus den Improvisationen entstanden sind, die nicht selten öffentlich vorgestellt wurden. Das 19. Jahrhundert war die Zeit der romantischen Genies, eine Zeit der Salonkonzerte mit  Potpourris improvisierten Repertoires, in der es  eine verwunderliche Verschiedenheit von Themen gab, die aus verschiedenen, höheren und niedrigeren Schichten der Musikbibliotheken augewählt wurden und mit virtuosen Modulationen verbunden wurden. Diese Kultur der Konzerttradition des 19. Jahrhunderts ist  im 20. Jahrhundert verschwunden, in einem Jahrhundert, das u.a. von Jazz und improvisierter Kunst geprägt war.

"Rapsodia" ist schon das zweite Solo-Album von Marek Tomaszewski.
Welche Werke hat er diesmal ausgewählt und wie hat er sie interpretiert? Aus welchen Traditionen geht seine Kunst hervor und in welchem Bereich der Gegenwart ist sie vorhanden ? Absichtlich wurde hier das Wort « Kunst » benutzt - weil Marek Tomaszewski nicht nur ein Interpret, Darsteller ist. Selbstverständlich ist er ein virtuoser Pianist. Die Tradition des 19. Jahrhunderts wurde schon zuvor erwähnt, es erscheint notwendig, auch an die spätere Tradition zu erinnern, die Marek Tomaszewski für sich mitgestaltet hat.

Die polnische Musikgeschichte kennt vor allem zwei Klavierduos, die mit dem Repertoire von Paraphrasen der Klassischen Musik hervorgetreten sind, die mit Variationsreminiszenzen verkleidet waren.
Es gibt historische Aufzeichnungen und Erinnerungen von zwei bekannten polnischen Komponisten, Witold Lutoslawski und Andrzej Panufnik. Dieses Duo verdiente seinen Lebensunterhalt, indem es in einem Warschauer Café zur Zeit der Hitler-Okkupation gespielt hat. Aus seinem Repertoire sind u.a. « Variationen über ein Thema von Paganini » (« Wariacje na temat Paganiniego ») geblieben, die Witold Lutosławski nach dem Krieg geschrieben hat.

In den Jahren 1963-1986 gab es das Piano-Duo Marek Tomaszewski – Waclaw Kisielewski, kurz Marek & Vacek genannt,  das große Erfolge weltweit feiern konnte und zu einer Kulterscheinung wurde. Das Duo war nicht nur ein Phänomen, es war eine der ersten musikalischen Sensationen, die wir aus der heutigen Perspektive als Postmodernismus bezeichnen können. Marek & Vacek haben « klassische » Musik gespielt auf eine « unterhaltsame » Weise, (mit einer Rhythmusgruppe) mit Elementen von Jazzfeeling. Eine Gattung, die mit der Zeit als «  cross-over » bezeichnet wurde.

Aus dieser Tradition stammt auch die Kunst von Marek Tomaszewski, nicht mehr in einem Duo, sondern als Solist. Die Frage stellt sich, in welchem Kulturbereich sie sich heutzutage befindet ? Es ist eine Landschaft der phonographischen Vorstellungskraft, die voller bekannter Motive aus der Musikgeschichte ist, von Bach und Purcell bis hin zu Bernstein und Ellington. In dem - man muss hier wieder den Begriff « kultisch« benutzen -  polnischen Film « Rejs » behauptet einer der Helden, dass « er nur solche Lieder mag, die er schon gehört hat ». Marek Tomaszewski greift in dieses Lager bereits existierender Musikthemen, von denen wir in der Nacht träumen können. Und er jongliert mit ihnen, dass eine neue Qualität entsteht. Mit einer hervorragenden Sensibilität und einem außergewöhnlichen künstlerischen Geschmack lässt er uns « unsere » Lieder in einer einzigartigen Form eines feinen und sublimierten Recyclings hören (Motive der Stücke von Bach und Albeniz, Gershwin und Rachmaninow, Wagner und Dukas, Paganini und Debussy, Mahler und Gershwin, Coupérin und Skriabin, um nur einige aus dem vorliegenden CD-Album zu erwähnen). Marek Tomaszewski jongliert und zaubert, er überrascht und versetzt uns in Erstaunen. Er scheint, indem er seine Finger auf der Klaviatur bewegt, seinem Zuhörer sagen zu wollen : « Kennst Du das? Na dann hör mal ...» und versetzt ihn in Erstaunen durch seine einzigartige Lässigkeit, wenn er zum Beispiel in « Paganini » mit einer hervorragenden Natürlichkeit in eine ästhetisch kohärente Narration das führende Thema aus Paganini mit den Motiven von Scott Joplin, Aram Chaczaturian, Ravel und Rossini verbindet.

Ist Marek Tomaszewski – in dem, was er spielt – ein Komponist ? Ja ! Er komponiert seine Stücke. Er benutzt das vorhandene Material und bereichert es mit eigenen Kommentaren. Was macht er mit uns Zuhörer ? Er zaubert und er jongliert! Er hat das Rezept gefunden, uns einen Sinnesgenuß zu bereiten. Nicht nur das: Er bietet eine intellektuelle Reflektion  auf Basis einer Re-Interpretation des klassischen Repertoires.

Hat also Chopin tatsächlich den Blues « vorausgesehen » ? Und wenn er einhundert Jahre später hätte leben können, hätte Chopin Jazz gespielt? Es sind diese stilistischen Intrigen mit denen Marek Tomaszewski uns an der Nase herumführt. Es sind diese Intrigen, die unsere Phantasie gleichzeitig  über unterschiedliche  Assoziationen beflügelt, die den Bereich der « Überlegenheit » und der « Unterlegenheit » kontrapunktiert und in der Kultur anerkannt werden.

Wer dieses CD-Album hört, mag sich die Frage stellen, wer und was Marek Tomaszewski ist: Ist er ein Rhythmiker (der Drive seines Spielens ist vollends narkotisch) ? Ist er ein Harmoniker (er intrigiert eine ungewöhnliche Harmonie uns bekannter Musikphrasen) ? Oder ist er ein Kolorist (vielleicht deswegen, weil er in der Nähe von Paris seßhaft wurde, hat er das impressionistische Spielen mit den Farben perfekt beherrscht). Er vereint alle in sich und ist vor allem auch ein Melodist, der, in die für seine künstlerische Bedürfnisse annektierten « Lieder » der Vergangenheit und der Gegenwart eigene Assoziationen mit hervorragendem Geschmack erweckt.

Fazit:  Marek Tomaszewski führt unsere Phantasie zwischen einer Sensibilität für die « Klassik » und der Sehnsucht nach « Pop-Unterhaltung » über Anleihen von Bach mit Jazz, und zukunftsweisenden Interpretationen musikalischer Phantasien. Was auch immer als Nächstes unter die Finger dieses außergewöhnlichen Pianisten, Komponisten, Wegbereiters  kommen mag, Marek Tomaszewski wird zweifelsohne in den nächsten Jahren des immer noch postmodernen 21. Jahrhunderts musikalisch intrigieren und den Zuhörer ästhetisch ansprechen .


Andrzej Chlopecki
Journalist/Musikkritiker, Warschau
 

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